Die Kraft

Viele von uns achten nicht ausreichend auf das, was uns gesagt wird, wie es gesagt wird, oder von wem es gesagt wird. Tatsächlich müssen die meisten erst lernen, wie man lernt. Wenn ich die Worte 'Kraft', 'Stärke', 'Energie' oder 'Bewegungsenergie' benutze, nehmen einige meiner Schüler überhaupt keine Notiz davon - sie versuchen nicht, zu verstehen oder zu analysieren, was ich meine. Das gilt natürlich nicht für alle Schüler. Einige erkennen die unterschiedliche Bedeutung der Ausdrücke, die ich sorgfältig ausgewählt habe, um Kraft zu beschreiben.

Ein häufiger Fehler ist die Verwechslung von Kraft mit 'Tempo', 'Schnelligkeit', 'Geschwindigkeit' oder 'Eile', Begriffe, die ausgesprochen wichtige Unterscheidungen darstellen. Denn wenn sie auf Tempo, Schnelligkeit, Geschwindigkeit und Eile abzielen, haben sie die Chance vertan, mit Kraft zu schwingen. Die Kraft im Schwung eines sehr guten Spielers ist faszinierend. Er scheint langsam, fast faul, zu schwingen, erzielt aber enorme Weiten. Wir wundern uns, warum wir das nicht auch können.

Mich überrascht das nicht. Er schwingt mit Kraft aus den Beinen heraus aufwärts, während wir schnell mit unseren Schultern, Armen und Händen vom Schlägerkopf abwärts schwingen. Er versucht, Kraft in seinem Schwung zu erzeugen; wir versuchen, Geschwindigkeit auf den Schlägerkopf zu übertragen.

Wenn wir uns mit der Anwendung der Kraft befassen, beachten Sie bitte, dass sie sich beim Golf im Bereich der Hüften konzentriert. 'Im Bereich der Hüften' bedeutet nicht, dass die Kraft mit den Hüften erzeugt wird (nur sehr wenig davon). Sondern sie wird von den Füßen, Waden und Oberschenkeln gesammelt und dann zentral über die stabilisierten Hüften mittels der Drehung in eine korrekte, zentrifugale Golfbewegung übertragen. Um den Ball weit und präzise zu schlagen, ist es entscheidend, den Schläger bereits vom Scheitelpunkt des Schwungs an mit den Füßen, Waden und Oberschenkeln zu steuern.

Jeder einzelne Schwung beim Golf stellt eine neuen Situation dar. Wenn wir eine solche Situation beurteilen - während der Vorbereitung des Schwungs -, müssen wir durch ein sorgfältig aufgebautes Gespür herausfinden, wie viel Kraft wir brauchen. Wie viel Kraft, nicht wie viel Schwung. Ein halber Schlag mit einem Eisen ist kein halber Schwung mit diesem Schläger, sondern ein voller Schwung mit halber Kraft. Wir können einen Dreiviertelschlag mit einem vollen Schwung oder einen vollen Schlag mit einem Dreiviertelschwung spielen.

Ich weiß, dass diese Vorstellung schwer zu verstehen ist, aber in ihr wurzelt die Überlegenheit des wirklich großartigen Golfers. Ein wirklich großer Golfer kann jeden Schlag kontrolliert spielen. Es gibt viele bekannte und erfolgreiche Spieler, die nichts anderes als volle Schläge spielen können. Für sie liegt ein kontrollierter Schlag außerhalb ihrer Möglichkeiten. Doch der große Golfer spielt jeden Schlag kontrolliert, das heißt, er spielt jeden Schlag mit dem von ihm empfundenen richtigen Maß an Kraft und nicht ausschließlich mit vollem Druck. Diese feine Kontrolle ist das Geheimnis seiner Größe.

Der Test für die Kontrolle eines Golfers besteht darin, mit jedem seiner Eisen einen Schlag über 70 Yards zu spielen. Denken Sie einmal darüber nach. Es wird Ihnen eine Vorstellung davon geben, was mit der Kontrolle der Kraft gemeint ist. Jeder Schlag wird solide gespielt, aber die angewandte Kraft muss offensichtlich je nach dem benutzten Schläger variieren. Ich will nicht behaupten, dass ich ein großer Spieler war. Aber ich habe mir beigebracht, dieses 'Kunststück' zu vollbringen, denn es ist ein Kunststück. Es zu lernen hat mich mein ganzes Golfleben gekostet.

"Warum," könnten Sie fragen, "sollten Sie von uns gewöhnlichen Golfern erwarten, dass wir etwas können, für das Sie, als Experte, ein ganzes Leben gebraucht haben?" Ich habe nicht gesagt, dass ich das von Ihnen erwarte... Ich sage, dass Sie eine klare Vorstellung von kontrollierter Kraft im Golfschwung bekommen, wenn Sie verstehen, wie es gemacht wird und selber versuchen, es umzusetzen.

Meiner Meinung nach können wir dem Erarbeiten richtiger Konzepte nicht genug Bedeutung beimessen. Es ist erstaunlich, wozu Menschen in der Lage sind, wenn sie eindeutig verstehen, was getan werden muss. Umgekehrt spielen viele von uns schlechtes Golf, weil wir Golf schlicht falsch verstehen und nicht, weil wir unfähig sind, gutes Golf zu spielen.

Ich habe Spieler gekannt, die ihren Schwung und ihr Spiel unbeabsichtigt verbessert haben, nur weil sie auf eine bessere Vorstellung vom Schwung gestoßen sind und diese übernommen haben. In dem Maße, in dem wir gute Manieren schätzen, werden wir gute Manieren haben, auch wenn wir das gar nicht bewusst beabsichtigen. Gleichermaßen werden wir gute Golfer, wenn wir die wahre Ethik des Golfschwungs schätzen.

Warum benutze ich das Wort 'Ethik'? Weil Golf eine Frage der Ethik ist, 'bezogen auf Manieren oder Moral' (nach meinem Wörterbuch). Wenn Sie das nachweisen möchten, schauen Sie sich einmal in Ihrem Clubhaus um. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der bescheidenste Mann im Club auch der beste Spieler ist und dass er sich gerade draußen im Caddyschuppen aufhält. Ich habe keinen großartigen Golfer gekannt, der nicht bescheiden war. Auch Walter Hagen war, trotz seines Showtalents, ein bezaubernd bescheidener Kerl und ein großer Gentleman.

Ich hoffe, dass der Grund, warum ich in diesem Kapitel moralische Themen aufgreife, klar ist. Unser Thema ist die Gewalt der Kraft. Gewalt ist, wie Feuer, ein guter Diener, aber ein schlechter Herr. Unkontrollierte gewaltige Kraft ist der Teufel schlechthin - beim Golf oder anderswo. Im Golf muss die Gewalt auf zwei Arten kontrolliert werden: in moralischer und mechanischer Hinsicht.

Die mechanische Kontrolle im Golfschwung lässt sich mit den Steuermechanismen eines Autos vergleichen. Die Kraft beim Golf - das Benzin - wird durch die Nägel in unseren Schuhen repräsentiert. Kein Benzin, keine Kraft! Aber diese Kraft wird nicht direkt angewandt; sie wird über eine Kupplung geleitet. Die Kupplung im Bewegungsablauf des Golfers sind die Hüften. Dort wird die Kraft gesammelt, ihr wird die richtige Richtung gegeben und sie wird in Bewegung umgesetzt - oder auch nicht. Die Hände können wir mit Zündkerzen vergleichen - lassen Sie sie zu früh oder zu spät im Zyklus der Vorgänge zünden und Ihr Schwung knallt durch. Ihr Schwung, wie die Zündung Ihres Autos, muss genau getimt sein.

Wir wollen mit diesem Vergleich nicht zu weit gehen, aber er hat seinen Wert. Einer der Punkte, den er betont, ist, dass Kupplungsspiel vermieden werden muss - das heißt, es darf keinen Schlupf oder schlampige Bewegungen bei der Arbeit der Hüften geben. Wir müssen uns vollständig darüber klar werden, wie sich unsere Hüften verhalten.

Wenn die rechte Hüfte im Vorwärtsschwung nach innen gedreht wird, folgt der Schwung von innen nach außen. Das ist der korrekte Bewegungsablauf. Doch wenn die rechte Hüfte beim Abschwung nach außen gleitet, erreichen wir dieses Ergebnis nicht. Das liegt daran, dass der Schlägerkopf dieselben Bewegungen ausführt wie die rechte Hüfte; sie sind über die rechte Schulter miteinander verbunden. Durch die Innendrehung unserer rechten Hüfte lenken wir die rechte Schulter auf dem korrekten Pfad. Die rechte Schulter ist dabei vollständig abhängig von der Hüfte. Wenn die Hüfte stabilisiert und nach innen gedreht wird, folgt die Schulter entsprechend. Sie bewegt sich von innen nach außen, von hinter dem Ball.

Denken Sie nicht, dass das alles eine Ablenkung von unserem eigentlichen Thema, der Kraft, ist. Denn die Kraft muss nicht nur erzeugt, sondern auch geführt werden. Obwohl es relativ einfach ist, den Ball weit zu schlagen, beginnen die Herausforderungen, wenn wir Präzision anstreben und unsere Kraft zielgerichtet einsetzen wollen. Für die präzise Anwendung der Kraft ist die Stabilisierung und Bewegung der Hüften grundlegend wichtig.

Die erforderliche Drehbewegung der Hüften bedingt einen kraftvollen Einsatz der Beinmuskulatur, der einer genaueren Betrachtung würdig ist. Im Rückschwung drehen wir uns einfach zurück, während wir uns im Vorwärtsschwung kraftvoll verdrehen. So kann man es beschreiben, obwohl auch für die Drehung zurück eine gewisse Anstrengung der Muskulatur benötigt wird.

Während des gesamten Schwungs müssen wir unsere Kraft allmählich aufbauen und steigern. Die Bewegung beginnt sanft als Drehung und entwickelt sich im Abschwung zu einem energischen und schnellen Zwirbeln. Die Drehung nach hinten bereitet das explosive Verdrehen nach vorne vor. Wir beginnen, die Anstrengung der Beinmuskulatur am Ende des Rückschwungs zu spüren. Dieses Gefühl nimmt stetig zu, bis im Durchschwung das kinetisch Maximum erreicht wird.

Die Drehbewegung der Hüfte beim Abschwung erfordert also eine kräftige Beteiligung der Waden- und Oberschenkelmuskulatur, die die Hauptquelle für Kraft im Golfschwung sind. Durch die kontrollierte Bewegung der Hüfte wird sichergestellt, dass die Kraft sanft und in genau der richtigen Richtung angewendet wird. Daher ist es wichtig, eine spezifische und kontrollierte Hüftbewegung in unseren Schwung zu integrieren, die wir vom Bewegungsgefühl her kennen.

Mit diesem Gefühl kontrollieren wir die Grösse und Richtung der Kraft in unseren Schwüngen. Daher ist unser Leitspruch "drehen und dann mit Schnellkraft verdrehen" (turn and twist). Dies sind grundlegende Empfindungen des Golfschwungs. Wir werden weitere Empfindungen hinzunehmen, die uns dabei helfen, unsere Konstanz zu verbessern. Aber diese werden hinderlich sein, wenn wir nicht auf der Basis von "drehen und dann verdrehen" aufbauen.

Eine weitere Kraftquelle im Golfschwung, die nicht aus den Beinen kommt, ist die Flexibilität unseres Körpers. Flexibilität unterscheidet sich von Dehnbarkeit, hat jedoch ähnliche Auswirkungen auf unseren Schwung. Ein Mann ist mit achtundzwanzig Jahren weniger flexibel als mit achtzehn und flexibler als mit achtunddreißig. Aber mit achtzehn könnte es eine lockere Flexibilität sein, mit achtundzwanzig eine freie Flexibilität und mit achtunddreißig eine kontrollierte Flexibilität. Jede Schattierung und Betonung der Flexibilität trägt entweder zur Kraftentwicklung bei oder hindert dabei.

Ein Spieler, der seine Schultern nur in direkter Verbindung mit seinen Hüften bewegen kann, hat wenig Chancen, ein guter Golfer zu werden. Er ist steif und hölzern. Wir müssen in der Lage sein, 'unsere Schultern zurückzuhalten'. Die Schultern sind bei einer Drehung nicht direkt mit den Hüften verbunden und sie sollten sich unabhängig drehen können, während die Hüften durch unsere Straffung stabil und solide bleiben. Die Tatsache, dass unser gesamter Körper das Drehmoment erzeugt, verleiht unserem Schwung die Kraft.

Indem wir unsere Schultern verzögern, fügen wir Kraft hinzu. Wenn wir jedoch unsere Schultermuskulatur anspannen, um dem Schlag Kraft zu verleihen (um "härter zu schlagen"), erreichen wir das Gegenteil. Die Schulter- und Rückenmuskeln müssen flexibel bleiben, damit das Drehmoment des Körpers von den Schultern aufgenommen und auf den Schlägerkopf übertragen werden kann. Die Schultern befinden sich in der Mitte zwischen den beiden Endpunkten des Schwungs, unseren Füßen und dem Schlägerkopf. Ihre Funktion, genau wie die der Arme und Hände, ist passiv. Sie müssen passiv sein, um die vom Körper erzeugte Kraft weiterzuleiten. Wenn Ihre Schultern passiv sind, wird Ihr Schwung kraftvoll und lebendig sein. Sobald Sie jedoch Ihre Schultermuskeln anspannen und versuchen, damit zu schlagen, stirbt Ihr Schwung. Dies ist sehr wichtig! Betrachten wir es uns daher noch einmal auf eine andere Art.

Der schwerwiegendste, schwer zu behebende, Fehler besteht darin, dass die rechte Schulter auf ihrem Weg nach vorne von außen nach innen bewegt wird. Sie sollte von innen kommen. Das kann aber nicht geschehen, wenn sie ein Teil der Hüfte geworden ist. Die Verbindung der Schulter zur Hüfte kann so unflexibel werden, dass sie davon kontrolliert wird und der Bewegung direkt folgen muss.

Wir müssen die Flexibilität unserer Rückenmuskulatur nutzen, um unsere Schulterbewegung (in Bezug auf die Drehung) zu verzögern, genauso wie wir unsere Handgelenke abknicken lassen, um eine Verzögerung des Schlägerkopfs zu erreichen. Es reicht nicht aus, den Schlägerkopf allein durch die Flexibilität der Handgelenke zu verzögern; auch die Schulterflexibilität muss hinzukommen. Unsere rechte Schulter wird jedoch nach vorne gezogen, wenn die Flexibilität der Rückenmuskeln durch Anspannung verloren geht.

Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass der Schlägerkopf der Bewegung der rechten Hüfte folgt, d.h. die Drehung der rechten Hüfte nach vorne und links wird einen Schwung auslösen, der sich von innen nach außen anfühlt. Wie funktioniert die rechte Schulter dabei? Wenn Sie das Gefühl einer flexiblen Schulterbewegung studieren, wird Ihnen eine Reihe von Empfindungen auffallen.

Eine unerwartete Empfindung ist, dass wir das Gefühl haben, dass die rechte Schulter nicht von vorne nach innen kommt, sondern von hinten. Wir haben nicht das Gefühl, dass sie von der Brustmuskulatur nach innen gezogen wird, sondern dass sie von der Rückenmuskulatur nach innen gedrückt wird. Ich sprach mit einem bekannten Chirurgen darüber und er sagte mir, dass dies die korrekte Interpretation der anatomischen Gegebenheiten sei. Die Muskeln, die uns zusammenhalten und uns gleichzeitig Flexibilität ermöglichen, sind die diagonal verlaufenden Muskeln, die die Basis des Rückens (unterhalb der Taille) mit den Schultern verbinden. Er erklärte auch, dass, wenn diese Muskeln nicht ausreichend entspannt sind, die Schultern keine andere Wahl haben, als sich gemeinsam mit der Taille zu bewegen.

Dies ist das normale Bewegungsmuster der Schultern bei fast allen körperlichen Aktivitäten, aber beim Golf ist es nicht wünschenswert. Hier ist ein Test für Ihre eigene Flexibilität: Stellen Sie sich mit geschlossenen Füßen nah an die Wand. Ohne Ihre Füße zu bewegen, drehen Sie sich halb nach rechts (so dass Sie direkt auf die Wand rechts von Ihnen blicken). Dies fällt Ihnen leicht, weil Sie sich (a) aus den Knien, (b) aus der Taille und (c) durch die Kopfbewegung drehen können. Wahrscheinlich werden Sie alle drei Möglichkeiten nutzen.

Drehen Sie sich jetzt weiter und schauen Sie in die Ecke, die sich drei Viertel hinter Ihnen befindet. Dann noch weiter, direkt hinter sich. Wie weit können Sie sich drehen? Am Punkt der größtmöglichen Drehung werden Sie die Muskeln spüren, die auch bei Ihrem Golfschwung in Aktion treten. Beginnen Sie dann noch einmal von vorne und drehen Sie sich diesmal nach links. Sie werden die Muskeln spüren, die in Aktion treten, wenn Sie die Vorwärtsbewegung abschließen.

Aus diesem kleinen Experiment können Sie einige interessante und nützliche Erkenntnisse gewinnen. Wir können beobachten, dass die Rückenmuskulatur beim Erreichen der Endpunkte unserer Drehung in beide Richtungen gedehnt wird und in Aktion tritt. Aber sie darf nicht angespannt werden. Wenn die Muskulatur angespannt ist, geht die Flexibilität der Schultern verloren - genauso wie die Flexibilität der Handgelenke gestört wird, wenn die Muskulatur der Unterarme angespannt ist. In beiden Fällen hat dies eine fatale Auswirkung auf den Golfschwung.

Der Schwung entsteht aus der gemeinsamen Flexibilität aller Muskeln oberhalb der Taille. Mir ist bewusst, dass ich über die Drehung und die Flexibilität spreche, obwohl dies ein Kapitel über die Kraft ist. Aber ich weiß, dass ungeordnete Kraft im Golf nutzlos ist. Es ist die Aufgabe der Drehung, die Kraft aus ihren Hauptquellen (die unterhalb der Taille liegen) zu sammeln und umzuleiten, so dass sie als zentrifugale Kraft auf den Schlägerkopf wirkt.

Unsere körperliche Konstitution ist die Quelle unserer Kraft, doch deren Sammlung und Umleitung wird durch unser Bewegungsgefühl gesteuert. Sobald dieses Gefühl verloren geht oder sich von uns löst, wird auch unser Schwung entkoppelt - und unsere Kraft verpufft wie das Gas aus einer Flasche Champagner, wenn der Korken herausgelassen wird!