Ich nenne das verführerischste und destruktivste Element im Golfspiel 'Golf Bogey Nr. 1'. Ich habe viele Jahre gebraucht, um es zu entdecken. Erst als ich die Beziehung zwischen Körper und Geist im Golfspiel richtig verstanden hatte, konnte ich meine Vorstellungen klar formulieren und effektiv in meinem Unterricht umsetzen.
Jetzt kann ich Ihnen präsentieren: Golf Bogey Nr. 1 ist der natürliche Drang, das Offensichtlich zu tun, womit ein gewünschtes Ergebnis erzielt werden kann. Warum wir so denken, ist klar; der Nachteil daran ist aber, dass der offensichtliche Weg im Golf (wie in vielen anderen Aspekten des Lebens) oft nicht der richtige sondern der falsche ist. Wenn der Drang, ihm zu folgen, nicht unterbunden wird, kann der richtige Weg nicht eingeschlagen werden.
Um Professor Alexander's treffenden Satz zu zitieren: "Ein Mann, der einen offensichtlichen Weg beschreitet, ist rein zielorientiert." Er ist so sehr darauf bedacht, sein Ziel zu erreichen (seinen Ball auf das Grün und ins Loch zu bekommen), dass er sich ausschließlich darauf konzentriert und dabei die ihm bekannte Technik oder Herangehensweise vergisst, mit der er dieses Ziel am besten erreichen kann. Er ist so sehr auf sein Ziel fixiert, dass er versucht, abzukürzen. Er vergisst, dass es einen bestimmten Bewegungsablauf gibt, mit dem er sein Ziel erreichen kann.
Dass der offensichtliche Weg im Golf oft im Konflikt mit dem richtigen steht, wird bei gründlicher Überlegung deutlich, denn der effektivste Schwung ist eher unnatürlich als natürlich. Jeder erfahrene Golfer weiß, dass es ihm nicht möglich ist, einen guten Abschlag zu machen, solange er gedanklich damit beschäftigt ist, den Ball über eine bestimmte Entfernung und in eine bestimmte Richtung zu schlagen. Aber das muss er doch, werden Sie sagen. Ja, aber entscheidend ist, dass er den Ball nicht zuverlässig und sicher auf diese Weise spielen kann, wenn der Gedanke an das Ziel nicht abgeschwächt wird oder zumindest weniger wichtig erscheint.
Stattdessen muss sich das gesamte System auf die korrekte Schwungbewegung konzentrieren, d.h. auf die bewussten Mittel, mit denen das gewünschte Ziel erreichen werden kann. Kurz gesagt, Sie sollten sich nicht auf die Entfernung und Richtung konzentrieren, sondern darauf, den Schwung zu fühlen, der Ihnen die gewünschte Entfernung und Richtung gibt.
Obwohl dies banal klingen mag, ist es eine äußerst wichtige Grundlage. Aus diesem Grund werde ich diesen Gedanken anhand der Erfahrung mit einem meiner Schüler noch einmal erläutern.
In meiner Golfschule in Paris ware fünf oder sechs Assistenten unter meiner Leitung beschäftigt. Der größte Teil meiner Arbeit bestand darin, die Grundlagenarbeit, die meine Assistenten bei Anfängern angelegt hatten, zu perfektionieren. Ich arbeitete auch mit Schülern, die bereits ein Handicap von 6 oder weniger hatten, aber in diesem Bereich stehen geblieben waren und Schwierigkeiten hatten, sich zu verbessern.
Einer dieser Fälle zeigte mir die Tücken des Golf Bogey Nr. 1 besonders deutlich. Eine erfahrene internationale Golferin, in ihren Fünfzigern, befand sich in einer schwierigen Lage. Ihr Handicap betrug 3, aber sie konnte dieses Handicap zu diesem Zeitpunkt nicht annähernd halten. Sie kam zu mir und bat mich, ihren Schwung zu überarbeiten. Ich fragte sie, ob sie sich der Herausforderung bewusst sei und ob sie den Mut sowie die Ausdauer besitze, um ihren kompletten Schwung umzustellen.
Denn obwohl ihr Schwung ihr im Allgemeinen beachtlichen Erfolg gebracht hatte, musste er womöglich verbessert werden. Ich schlug ihr vor, eine Woche darüber nachzudenken. Während dieser Woche erkundigte ich mich bei ihren Freundinnen nach ihr. Sie versicherten mir, dass sie ausdauernd und intelligent sei.
Ich wusste, dass sie eine gute Konstitution hatte. Die Aussicht auf Erfolg erschien mir ausreichend. Denn obwohl ich nicht das Gefühl hatte, dass sie eine besondere natürliche Begabung für das Spiel hatte, wusste ich, dass Intelligenz und Ausdauer andere Eigenschaften zu Hilfe rufen können. Also war ich bereit, den Fall zu übernehmen.
Ihr Entschluss war gefasst: Sie bat mich, sie bei diesem Vorhaben zu führen und zu unterstützen. Sie erwies sich als eine entzückende und aufgeschlossene Schülerin. Nach kurzer Zeit fegte sie den Ball mit all ihren Schlägern prächtig weg. Ich gebe zu, dass ich anfing zu glauben, ich sei ein Genie - und tatsächlich sagte mir meine begeisterte Schülerin das auch!
Doch dann kam es zu einer katastrophale Wendung. Als gute Mutter hatte meine Schülerin ihre Kinder zum Wintersport mit in die Berge genommen. Als talentierte Sportlerin, sie war auch Seglerin, hatte sie einige leichte Pisten ausprobiert. Ich selber war noch nie auf Skiern und werde es wahrscheinlich auch nie sein, da ich es mir nicht leisten kann, meine Gliedmaßen zu riskieren. Ich kann daher nicht aus eigener Erfahrung sagen, wie sich Skifahren auf Golf auswirkt - aber ich habe gesehen, was in diesem Fall geschah!
Meine Schülerin kehrte körperlich unbeschadet zurück. Sie war wie immer seelisch ausgeglichen und unbekümmert. Doch ihr Schwung war vollkommen durcheinander! Wie gewohnt, wenn etwas ernsthaft schiefging, fing ich wieder ganz von vorne an: Drehung, Weite usw. Aber nichts geschah. Es blieb bei einer Barrage von Half-Tops, gelöffelten Schlägen und all den leblosen, hoffnungslosen Schlägen, die ein schlechter Schwung erzeugt.
Wir waren uns beide bewusst, dass etwas nicht stimmte, konnten jedoch keine unmittelbare Lösung finden. Ihr Schläger traf stets von außen auf den Ball und trotz aller Bemühungen gelang es ihr nicht, dies zu korrigieren!
So ging es weiter, bis ich eines Tages in einem Moment der Inspiration sagte: "Sie scheinen zu versuchen, den Ball in die Mitte der Spielbahn zu führen."
"Nun", erwiderte sie, "das ist doch, wohin ich ihn spielen soll, oder?"
"Wenn Sie darauf bestehen, es so auszudrücken - dann ja", sagte ich. "Es wäre aber besser, sich darauf zu konzentrieren, wohin Sie den Ball fliegen sehen möchten, anstatt darauf, wohin Sie ihn schlagen wollen. Sie dürfen nicht beabsichtigen, gerade und direkt in die Mitte zu spielen, indem Sie Ihren Schlägerkopf auf einer geraden Linie in Richtung Mitte schwingen."
"Aber der Ball fliegt doch auf der Bahn, auf der man den Schlägerkopf schwingt." antwortete sie.
"Auf keinen Fall", sagte ich. "Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass der Ball nur in die Mitte fliegt, wenn ich das Gefühl habe, dass mein Schlägerkopf die Spielrichtung von innen nach außen kreuzt. Er geht entweder mit Drall nach links oder schrecklich unterschnitten nach rechts. Ich weiß aus Erfahrung, dass ich meinen Schläger nicht direkt in Richtung des Lochs schwingen darf, wenn ich möchte, dass der Ball gerade fliegt. Ich muss in einem Winkel zur gewünschten Fluglinie schwingen."
"Also haben Sie das Gefühl, dass Sie Ihren Schläger in eine Richtung schwingen, damit der Ball in eine andere geht?" fragte sie.
"Ja, das habe ich. Warum? Ohne dieses Gefühl kann ich kein gutes Golf spielen!"
So viel zur unmittelbaren Ursache des Problems. Doch ich wollte die Sache genauer untersuchen. Warum war das Problem aufgetreten? Vor ihrem Ausflug in die Berge hatte meine Schülerin wunderbar gerade Bälle gespielt und in die richtige Richtung geschwungen. Woher kam jetzt plötzlich dieser Fehler?
Wir diskutierten ausgiebig darüber, doch sie fand keinen ersichtlichen Grund für dieses Problem. Eines Tages meinte sie: "Ich erinnere mich schwach daran, dass Sie mir ganz zu Anfang gesagt haben, ich solle von innen nach außen schwingen. Sie haben sogar eine Linie auf den Boden gezeichnet, der ich folgen sollte. Mir war nicht klar, ob das von Bedeutung war – ich vermutete, es könnte einer Ihrer Kniffe sein, um einen persönlichen Fehler zu korrigieren."
Ich wurde wütend! All der Ärger, nur weil meine Schülerin annahm, ich würde sie täuschen. Alles, was ich einem Schüler sage, ist sorgfältig überlegt – ebenso wie die Worte, die ich dabei wähle.
Ich hatte meiner Schülerin gesagt, sie solle den Schlägerkopf von innen nach außen schwingen, weil dies ein grundlegendes Gefühl für gutes Golf ist - aus keinem anderen Grund.
Glücklicherweise konnte diese Angelegenheit geklärt werden und ich bin froh, dass sie seit jenem Tag wieder unbeschwert Golf spielen konnte.
Was hat dies mit Golf Bogey Nr. 1 zu tun? Das ist Golf Bogey Nr. 1!
Der Drang, den Ball nahe an die Fahne zu schlagen, hatte das Spiel dieser Dame ruiniert. Sie konzentrierte sich so sehr darauf, dieses Ziel zu erreichen, dass sie die eigentliche Lösung aus den Augen verloren hatte: den Schlag korrekt von innen nach außen auszuführen, um den gewünschten Ballflug zu erzielen.